CHIPHERSTELLER: KANN INTEL ZU ALTER STäRKE ZURüCKFINDEN?

Intel will zum Auftragsfertiger der westlichen Welt aufsteigen: eine riskante Wette mit ungewissem Ausgang. Denn die Konkurrenz zieht an Intel vorbei. Sind die Steuermilliarden für die Fabriken in Magdeburg gut angelegt?

Es sollten glänzende Zeiten für Chiphersteller sein, ein goldenes Jahrzehnt. Der Markt soll sich bis 2030 auf eine Billion Dollar hochschrauben, also ungefähr verdoppeln.

Der größte Schub kommt von der künstlichen Intelligenz, die nicht nur jedes Rechenzentrum, sondern auch Computer und Smartphones verändern soll. KI soll so selbstverständlich werden wie heute WLAN. Doch die Segnungen des KI-Zeitalters sind sehr unterschiedlich verteilt, wie sich am Donnerstag bei der Vorlage der Quartalszahlen von Intel wieder einmal zeigte.

Während vor allem Nvidia mit seinen KI-Produkten allen davonzieht und Milliarden Dollar an Profiten scheffelt, sieht es bei der traditionsreichen Branchenikone Intel – der Keimzelle des Silicon Valley – alles andere als rosig aus. Intel hat allein in diesem Jahr ein Drittel seines Wertes verloren. Mittlerweile haben Intel fast alle namhaften Wettbewerber, nicht nur Nvidia, sondern auch AMD und Qualcomm beim Börsenwert abgehängt. Mit anderen Worten: Die Börse traut allen anderen stärkeres Wachstum zu.

Seit drei Jahren versucht Intel-Chef Pat Gelsinger, den Konzern wieder auf Trab zu bringen. Sein Plan ist es, Intels einstige Stärke als dominanter Hersteller von Prozessoren zurückzugewinnen und diese Fertigungsexpertise nicht nur wie früher selbst für seine eigenen Produkte zu nutzen, sondern auch als Auftragsfertiger anderen zu offerieren. So wie Taiwan Semiconductor Manufacturing (TSMC) es seit Jahren sehr erfolgreich tut und damit zum Weltmarktführer aufgestiegen ist.

Intel will führender Auftragsfertiger werden

Gelsinger will Intel als führenden Auftragsfertiger der westlichen Welt etablieren, mit neuen Chipfabriken, unter anderem zwei mit zehn Milliarden Euro deutschen Steuergeldern subventionierten Werken in Magdeburg.

Zugleich will Gelsinger wieder mit seinen Prozessoren bei PCs und Servern auftrumpfen und endlich mit seinen KI-Beschleunigern ernst genommen werden. 


Große Pläne und viele Ankündigungen. Dafür ist Gelsinger mittlerweile berüchtigt. Die Frage ist, wie viel Zeit ihm beim Umsetzen seiner Strategie bleibt, zumal die Wall Street auf kurzfristige Erfolge programmiert ist. Mittlerweile werden Anleger und wohlmeinende Beobachter nervös. Nachdem die Intel-Aktie bereits Anfang April kräftig abgestürzt war, weil die Anlaufverluste in der Auftragsfertigersparte weit größer sind als ursprünglich von Analysten angenommen, brach sie am Donnerstag nach Bekanntgabe der Zahlen des ersten Quartals im nachbörslichen Handel um bis zu 9,4 Prozent ein.

Zwar konnte Intel die Erwartungen der Analysten erfüllen – der Umsatz legte im Vergleich zum Vorjahresquartal um neun Prozent auf 12,7 Milliarden Dollar zu. Er wurde vor allem durch den Verkauf von Prozessoren für PCs und Notebooks getragen, in diesem Segment legte der Umsatz um stattliche 31 Prozent zu. In der Sparte für Datencenter und KI, in der auch Intels KI-Beschleuniger Gaudi läuft, stieg der Umsatz um fünf Prozent. Doch sie macht mit drei Milliarden Dollar weniger als die Hälfte des Umsatzes der PC- und Notebooksparte aus. Mehr noch: Hier findet der Boom im Markt statt, an dem Intel derzeit offensichtlich nicht partizipiert.

Wegen hoher Ausgaben für Investitionen, vor allem in seine Auftragsfertigersparte, fuhr Intel im ersten Quartal einen Verlust von 437 Millionen Dollar ein. „Es war ein solides Quartal“, meinte Gelsinger im Anschluss bei der Diskussion der Zahlen. Doch die Aktie stürzte nachbörslich trotzdem ab, weil im laufenden Quartal die Geschäfte schwächer laufen als erwartet.

Skepsis um Gelsingers Hoffnung auf Super-Upgrade-Zyklus

Eins der Probleme ist, dass Intel bei der Produktion seiner Prozessoren für Desktop und Notebooks derzeit nicht nachkommt. Hier hofft Gelsinger auf einen Super-Upgrade-Zyklus, weil diese als fit für KI-Anwendungen vermarktet werden, sogenannte KI-PCs und Notebooks.

Hier konnte Intel im ersten Quartal fünf Millionen Prozessoren absetzen, bis Ende des Jahres sollen es 40 Millionen sein, im nächsten Jahr sogar insgesamt 100 Millionen Stück.

Doch in der Branche ist man skeptisch, ob das Wachstum dort tatsächlich so rasant sein wird. Zum einen ist es fraglich, ob dieses KI-Potential tatsächlich von genügend Anwendungen lokal genutzt wird. Bislang werden die großen Berechnungen in Rechenzentren vorgenommen und die Resultate übers Internet an die Endgeräte ausgeliefert, dafür sind die derzeitigen Chatbots optimiert. Wie viel künftig direkt auf dem Computer bearbeitet wird und so Zeitverzögerungen und vielleicht auch Kosten herausnimmt, wird stark von Softwareanbietern wie Microsoft oder Adobe abhängen. Zudem gibt es mit AMD und Qualcomm starke Konkurrenten. Intel ist dort nicht wie früher dominant.

Die richtig großen Margen liegen jedoch derzeit in den KI-Beschleunigern für Rechenzentren. Dort will Intel nun mit seinem Gaudi-3-Beschleuniger endlich punkten. Tatsächlich soll dieser schneller als die begehrten Hopper-Chips von Nvidia sein. Das Problem ist jedoch, dass Nvidia derzeit schon die nächste Generation namens Blackwell für den Marktstart vorbereitet, die wiederum Konkurrenten wie Intel und AMD beim Tempo weit abhängen wird. Intel und AMD können hier erstmal nur über den Preis konkurrieren. „Wir erwarten mit Gaudi 3 einen beschleunigten Umsatz von über 500 Millionen in der zweiten Hälfte des Jahres, mit einer zunehmenden Dynamik in 2025“, so Gelsinger. Früher, so merkte Analyst Ben Reitzes von Melius Research an, hätte Gelsinger jedoch „von Milliarden in der Pipeline“ gesprochen.

Es bleibt für Intel ein zähes Geschäft – mit finanzstarken Konkurrenten, die man zu den guten alten Zeiten des Wintel-Monopols aus Microsoft und Intel nicht hatte. Das weitere Schicksal von Intel wird davon abhängen, ob sich die Spannungen zwischen den USA und China verschärfen und das Reich der Mitte sogar versucht, das Chipfertiger-Zentrum Taiwan zu annektieren. Das würde TSMC außer Gefecht setzen.

Zweischneidige Spannungen mit China

Dann könnte Intel tatsächlich als der Chipfertiger der westlichen Welt auftrumpfen, die Steuermilliarden in Magdeburg wären gut anlegt und die Intel-Aktie würde abgehen. Allerdings muss Intel erst beweisen, dass es bei der Produktionsexpertise zu alter Stärke zurückfinden kann und in der Lage ist, diese auch als Auftragsfertiger auszuspielen. Das wird man jedoch erst gegen Ende des Jahrzehnts wissen. Dann wird Gelsinger jedoch fast 70 Jahre alt sein. Intel hat zwar im März 2021 die vorherige Altersgrenze von 65 Jahren für Führungskräfte abgeschafft. Höchstwahrscheinlich wird Gelsinger dann jedoch nicht mehr im Amt sein.

Doch die Spannungen mit China sind zweischneidig für Intel. China ist sein wichtigster Auslandsmarkt. Die chinesische Regierung versucht, den Einsatz von ausländischen Prozessoren zu verringern. Und in den USA werden Rufe laut, die exklusive Exportlizenz, die Intel zum Ausrüsten von Huawei mit Prozessoren hat, zu entziehen.

Ein weiterer großer Haken ist, dass weiterhin sehr viele Chips in China produziert werden – nicht die leistungsstärksten, aber solche die man braucht, um Systeme am Laufen zu halten. Nvidia-Chef Jensen Huang weist gern darauf hin, dass sein Hopper-Produkt aus 35.000 Teilen besteht und die meisten davon aus China kommen. Eine militärische Konfrontation mit China würde also den Chipmarkt erstmal zusammenbrechen lassen, selbst wenn man Hochleistungsprozessoren in Europa und Amerika produzieren kann. Und wenn die Zeiten sich entspannen sollten, ist die große Frage, ob die Margen im Auftragsfertiger-Geschäft im Preiskampf mit Konkurrenten wie TSMC, Samsung Electronics und GlobalFoundries wirklich attraktiv sind und die hohen Investitionen rechtfertigen.

Anleger müssten an das Unternehmen fest glauben, forderte Tesla-Chef Elon Musk am Dienstag bei der Vorlage seiner Zahlen. Was bei Tesla das autonome Fahren ist, ist bei Intel die Vision, zum Auftragsfertiger der westlichen Welt aufzusteigen – beides riskante Wetten mit ungewissem Ausgang.

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